Heilung braucht Zeit
- Windgedanken

- 12. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Aug.
Ich neige dazu, zu schnell weiterziehen zu wollen. Oft blicke ich dann nach ein paar Wochen nochmal zurück und stelle fest, dass ich doch noch viel zu verarbeiten hatte.

Mir ist klar, dass manche Dinge einfach Zeit brauchen, bis man sie wirklich verarbeitet hat. Da kann nichts beschleunigt oder übersprungen werden. Trotzdem passiert es mir immer wieder, dass mir nicht auffällt, wie sehr ich noch im Verarbeitungsmodus bin. Erst im Rückblick erkenne ich dann, wie wenig bereit ich zum Weiterziehen war. Ich verfalle manchmal in Aktionismus, lenke mich ab, mache mit meinem Alltag weiter und nach ein paar Wochen kommen dann doch nochmal Gedanken und Emotionen hoch.
Mit der Trennung geht es mir gerade ganz ähnlich. In dem Maße, wie die Wut nachlässt, fällt mir auf, wie viel ich in den vergangenen drei Monaten noch verarbeiten musste. Nicht nur die Trennung an sich, sondern vielmehr die Menge an negativen Emotionen, die ich davor über Wochen hinweg gefühlt habe. Danach habe ich mich abgelenkt, war viel unterwegs und bin der Einsamkeit davongelaufen. Jetzt merke ich, dass ich die Ruhe nicht zulassen konnte. Und ich merke auch, dass ich jetzt erst bereit bin, ihm zu vergeben. Nicht in dem Sinne, dass ich wieder Kontakt zu ihm möchte oder vergesse, was war. Aber ich bin deutlich näher an dem Schritt, mit der Beziehung, ihrem Verlauf und schließlich dem Ende Frieden zu schließen. Es sein zu lassen, wie es war und weiterzuziehen. Und auch mir selbst zu vergeben.
Ich merke es in den kleinen Momenten, in denen ich an ihn denke und merke, dass da keine Wut in mir aufsteigt. Ich merke es daran, wie ich mich an schöne Momente mit ihm erinnern kann. Und daran, dass mein Herz einfach gleichmäßig weiterschlägt, wenn er mir eine Nachricht schreibt. Dass ich kein Bedürfnis danach habe, mir alte Bilder anzusehen und nicht zusammenzucke, wenn oneDrive mir ein Bild aus den letzten Jahren zeigt, auf dem er auch zu sehen ist. Die Anspannung ist verflogen und mit ihr können auch Schmerz und Wut zu Erinnerungen werden. Die Zeit mit ihm hat sich direkt nach der Trennung weit weg angefühlt, aber jetzt weiß ich, dass es damals ein Schutz war und heute Realität ist.
Inzwischen habe ich viele Erinnerungen ohne ihn gesammelt, habe Tage damit verbracht, an jemand anderen zu denken, habe Nähe mit anderen Menschen geteilt und habe Erkenntnisse gesammelt, von denen er nie erfahren wird. Ich schlafe in einem Bett, in dem er nie gelegen hat, sitze auf einem Sofa, das er noch nie gesehen hat und mache Sport auf einem Teppich, den er nicht kennt. Ich esse mein Müsli anders als er es von mir gewohnt war, spiele mehr Klavier als in den gesamten letzten drei Jahren und höre Musik, die ich nie mit ihm teilen werde. Das Leben geht weiter und nichts macht das deutlicher als die Zeit, die vergeht, die Tage, die man ohne eine Person verbringt und die vielen neuen Erinnerungen, in denen diese Person plötzlich keine Rolle mehr spielt. Und erst mit dem Blick zurück wird dir klar, wie weit der Weg ist, den du schon ohne ihn gegangen bist. Ein Schritt nach dem anderen. Er ist verschwunden hinter der letzten Kurve und du blickst nach vorne.



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